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An anthology of German literature Part 70

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+Das Land der Hinkenden.+

Vor Zeiten gab's ein kleines Land, Worin man keinen Menschen fand, Der nicht gestottert, wenn er red'te, Nicht, wenn er ging, gehinket hatte; Denn beides hielt man fur galant. 5 Ein fremder sah den ubelstand; Hier, dacht' er, wird man dich im Gehn bewundern mussen, Und ging einher mit steifen Fussen.

Er ging, ein jeder sah ihn an, Und alle lachten, die ihn sahn, 10 Und jeder blieb vor Lachen stehen Und schrie: "Lehrt doch den Fremden gehen!"

Der Fremde hielt's fur seine Pflicht, Den Vorwurf von sich abzulehnen.

"Ihr," rief er, "hinkt; ich aber nicht: 15 Den Gang musst ihr euch abgewohnen!"

Der Larmen wird noch mehr vermehrt, Da man den Fremden sprechen hort.

Er stammelt nicht; genug zur Schande!

Man spottet sein im ganzen Lande. 20

Gewohnheit macht den Fehler schon, Den wir von Jugend auf gesehn.

Vergebens wird's ein Kluger wagen Und, da.s.s wir toricht sind, uns sagen.

Wir selber halten ihn dafur, 25 Bloss, weil er kluger ist als wir.

+3+

+Das Gespenst.+

Ein Hauswirt, wie man mir erzahlt, Ward lange Zeit durch ein Gespenst gequalt.

Er liess, des Geists sich zu erwehren, Sich heimlich das Verbannen lehren; Doch kraftlos blieb der Zauberspruch. 5 Der Geist entsetzte sich vor keinen Charakteren Und gab, in einem weissen Tuch, Ihm alle Nachte den Besuch.

Ein Dichter zog in dieses Haus.

Der Wirt, der bei der Nacht nicht gern allein gewesen, 10 Bat sich des Dichters Zuspruch aus Und liess sich seine Verse lesen.

Der Dichter las ein frostig Trauerspiel, Das, wo nicht seinem Wirt, doch ihm sehr wohl gefiel.

Der Geist, den nur der Wirt, doch nicht der Dichter sah, 15 Erschien und horte zu; es fing ihn an zu schauern.

Er konnt es langer nicht als einen Auftritt dauern, Denn, eh' der andre kam, so war er nicht mehr da.

Der Wirt, von Hoffnung eingenommen, Liess gleich die andre Nacht den Dichter wiederkommen. 20 Der Dichter las, der Geist erschien, Doch ohne lange zu verziehn.

"Gut," sprach der Wirt bei sich, "dich will ich bald verjagen, Kannst du die Verse nicht vertragen."

Die dritte Nacht blieb unser Wirt allein. 25 Sobald es zwolfe schlug, liess das Gespenst sich blicken; "Johann!" fing drauf der Wirt gewaltig an zu schrein, "Der Dichter (lauft geschwind!) soll von der Gute sein Und mir sein Trauerspiel auf eine Stunde schicken."

Der Geist erschrak und winkte mit der Hand, 30 Der Diener sollte ja nicht gehen; Und kurz, der weisse Geist verschwand Und liess sich niemals wieder sehen.

Ein jeder, der dies Wunder liest, Zieh' sich daraus die gute Lehre, 35 Da.s.s kein Gedicht so elend ist, Das nicht zu etwas nutzlich ware.

Und wenn sich ein Gespenst vor schlechten Versen scheut, So kann uns dies zum grossen Troste dienen, Gesetzt, da.s.s sie zu unsrer Zeit 40 Auch legionenweis erschienen: So wird, um sich von allen zu befrein, An Versen doch kein Mangel sein.

+4+

+Der unsterbliche Autor.+

Ein Autor schrieb sehr viele Bande Und ward das Wunder, seiner Zeit; Der Journalisten gutge Hande Verehrten ihm die Ewigkeit Er sah, vor seinem sanften Ende, 5 Fast alle Werke seiner Hande Das sechste Mal schon aufgelegt Und sich mit tiefgelehrtem Blicke

In einer spanischen Perucke Vor jedes t.i.telblatt gepragt. 10 Er blieb vor Widersprechern sicher Und schrieb bis an den Tag, da ihn der Tod entseelt; Und das Verzeichnis seiner Bucher, Die kleinen Schriften mitgezahlt, Nahm an dem Lebenslauf allein 15 Drei Bogen und drei Seiten ein.

Man las nach dieses Mannes Tode Die Schriften mit Bedachtsamkeit; Und seht, das Wunder seiner Zeit Kam in zehn Jahren aus der Mode, 20 Und seine gottliche Methode Hiess eine bange Trockenheit.

Der Mann war bloss beruhmt gewesen, Weil Stumper ihn gelobt, eh' Kenner ihn gelesen.

Beruhmt zu werden ist nicht schwer, 25 Man darf nur viel fur kleine Geister schreiben; Doch bei der Nachwelt gross zu bleiben, Dazu gehort noch etwas mehr Als, seicht an Geist, in strenger Lehrart schreiben.

+LXIX. JOHANN WILHELM LUDWIG GLEIM+

A North German poet (1719-1803) who is best known for his _Songs of a Prussian Grenadier_, commemorating the victories of Frederick the Great in the Seven Years' War. His earlier work is mostly in the light anacreontic vein, which was somewhat overworked in the decade preceding the war. The fas.h.i.+on was really set by Gleim, though the spirit of it is found in Hagedorn. The selections follow Kurschner's _Nationalliteratur_, Vol. 45.

+1+

+An Leukon.+

Rosen pflucke, Rosen bluhn, Morgen ist nicht heut!

Keine Stunde la.s.s entfliehn, Fluchtig ist die Zeit!

Trinke, kusse! Sieh, es ist Heut Gelegenheit!

Weisst du, wo du morgen bist?

Fluchtig ist die Zeit.

Aufschub einer guten Tat Hat schon oft gereut!

Hurtig leben ist mein Rat, Fluchtig ist die Zeit!

+2+

+Trinklied.+

Bruder, trinkt: es trinkt die Sonne, Und sie hat schon tausend Strome Ohne Bruder ausgetrunken!

Bruder trinkt: es trinkt die Erde; Seht, sie durstet, seht, wie durstig Trinkt sie diese Regentropfen!

Seht, dort um den Vater Bacchus Stehn die Reben frisch am Berge; Denn es hat das Na.s.s der Wolken Ihren heissen Durst geloschet.

Bruder, seht, das Na.s.s der Reben Wartet in den vollen Glasern: Wollt ihr euren Durst nicht loschen?

+3+

+Vorzuge in der Klugheit.+

Herr Euler misst der Welten Grosse; O welch ein Tor ist das!

Ich bin doch kluger, denn ich messe Die Eimer Wein auf meinem Fa.s.s.

Wolff zahlt die Krafte seiner Seele; 5 O welch ein Tor ist das!

Ich bin doch kluger, denn ich zahle Die Tropfen Wein im Deckelglas.

Herr Meier macht nur immer Schlusse; Wie toricht ist auch das! 10 Ich klugerer, ich trink' und kusse, Ich kuss' und trink' ohn' Unterla.s.s.

Herr Haller sucht Gras, Kraut und Baume Auf mancher rauhen Bahn; Ich klugerer, ich suche Reime, 15 So wie er sonsten auch gethan.

Herr Bodmer fuhrt gelehrte Kriege; O warum fuhrt er sie?

Denn durch noch tausend seiner Siege Bezwingt er doch die Dummheit nie. 20

Es mogen ihn die Enkel preisen Und sagen: So ein Mann Ist doch jetzund nicht aufzuweisen; Was gehen mir die Enkel an?

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An anthology of German literature Part 70 summary

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